Auf der Couch beim Karriere-Doc – #netzwerktalk mit Dr. Bernd Slaghuis

Unser heutiger #netzwerktalk hat zwei Ursprünge

 

  1. Dr. Bernd Slaghuis ist als Blogger und XING-Insider jemand, an dem wir als Blogger, Leser & Lerner nicht vorbei kommen – also interessiert uns: wie erreicht man diese Präsenz im Netz?
  2. Er hat bereits vor 8 Jahren an unserer Hochschule in Vorträgen seine Erfahrungen über Berufs- und Karrierewege geteilt – da war ein Wiedersehen dringend an der Zeit. (darum haben wir uns auch gleich auf´s Du verständigt)

 

 

1. Bernd, Du hast 2011 den Sprung ins kalte Wasser der Selbständigkeit gewagt – wie hast Du das geplant?

 

Ich hatte das Glück, dass das Wasser gar nicht so kalt war – eher lauwarm. Die Coachingausbildung hatte ich noch während meiner Festanstellung als Leiter Unternehmensentwicklung bei einem Kölner Versicherungsunternehmen begonnen und bemerkt, dass mir Coaching liegt und ich nach 5 Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bochum und weiteren 5 Jahren als Angestellter einmal anders arbeiten wollte. Freiheit ist mir wichtig, also habe ich nach Wegen außerhalb gesucht.

 

Ich bin dann mit in die kleine Marketingagentur eines guten Freundes rein und wir haben gemeinsam eine Unternehmensberatung daraus gegründet, die Coaching-Praxis habe ich parallel allein gestartet. Kurze Zeit später hat mein alter Arbeitgeber wieder bei mir angeklopft und ich war bis Anfang 2014 als externer Projetleiter dort freiberuflich beschäftigt. Da war das Wasser zwischendurch sogar ganz schön heiß, denn die Arbeitsbelastung war so hoch, dass mein eigentliches Ziel, mein Business als Coach aufzubauen, oft zu kurz kam. Dennoch hat mir diese Zeit geholfen, die ersten Jahre der Selbständigkeit finanziell sehr gut zu meistern und ich konnte zudem viele wichtige Erfahrungen im Projekt sammeln.

 

Die Anfragen für Coachings stiegen mit zunehmender Sichtbarkeit weiter an. Ich habe Ende 2013 die Kooperation mit meinem Geschäftspartner in der Beratung beendet und seit meinem Ausstieg aus dem Versicherungsprojekt 2014 habe ich mich dann auf Karriere-Coaching fokussiert. Ein Weg, der nie so geplant war, mich aber immer ein Stück weitergeführt hat.

 

2. Wer bucht einen Karrierecoach?

 

Sehr unterschiedlich. Die Hauptgruppe sind bei mir Angestellte zwischen Ende 30 und Anfang 50. Ihnen allen geht es um die Frage, was der für sie nächste sinnvolle Schritt im Beruf ist und wie sie dorthin kommen. Viele sind in Berufssituationen, in denen sie sich neu orientieren möchten oder müssen, sie den aktuellen Arbeitsmarkt nicht einschätzen können oder sich lange nicht mehr beworben haben und hierbei Unterstützung brauchen. In den Gesprächen zeigt sich oft, dass es meist gar nicht der Job selbst ist, sondern die Rahmenbedingungen beim Arbeitgeber, die Art der Führung, die Kollegen oder die Produkte. Viele Klienten können sich selbst auch schlecht einschätzen und ihre eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse nicht klar formulieren. Dann hilft (m)ein Blick von außen sehr viel weiter.

 

Zunehmend kommen auch jüngere Menschen zu mir ins Coaching. Sie sind unmittelbar nach dem Studium orientierungslos, was ihren zukünftigen Weg angeht. Jobprofile sind zunehmend schwieriger zu deuten und die eigene Positionierung, sich selbst als Marke zu sehen, ist natürlich in diesem frühen Karrierestadium erst recht ein Grund, unsicher zu sein und sich Begleitung zu suchen.

 

3. Coaching ist „in“ – was macht Dich einzigartig?

 

Es gibt verschiedene Angebote und Methoden und sicher haben alle ihre Berechtigung und finden ihre Zielgruppe. Mein Profil zeichnet sich dadurch aus, dass ich durch die Coachingausbildung zu einer für mich stimmigen Haltung als Coach gefunden habe und natürlich auch über Handwerkszeug in Form von Methoden und Tools verfüge, mich darüber hinaus jedoch nicht durch die Masse von Zertifikaten und Fachausbildungen positioniere, wie es manche Kolleginnen und Kollegen tun. Auch mein Background als promovierter Ökonom und ehemalige Führungskraft in der Unternehmensentwicklung und im Controlling sind in der Branche wohl eher ungewöhnlich. Viele Coaches sind Psychologen oder haben einen HR-Hintergrund. Es macht mir Freude und es fällt mir leicht, Situationen schnell zu erfassen, Zusammenhänge zu erkennen und strukturiert in Lösung zu denken. Ich halte mich für sehr empathisch, kann so schnell einen guten Draht zu meinen Klienten aufbauen und dennoch als neutraler Sparringspartner Impulse geben, die sie aus der Familie oder von Freunden so nicht bekommen. Natürlich hilft mir auch meine Erfahrung aus vielen Karriere-Coachings und der Begleitung von inzwischen über 1.000 Angestellten und Führungskräften aus unterschiedlichen Positionen und Branchen. Ach ja, und ich kann gut zuhören, auch das ist sicherlich als Coach von Vorteil.

 

4. Methode oder Mensch? – Was zählt für Dich als Coach mehr?

 

Ganz klar der Mensch. Oder besser: Persönlichkeit. Ich habe natürlich in meiner Ausbildung auch einen Methodenkoffer mit auf den Weg bekommen. Einiges davon setze ich ein, vieles habe ich für mich weiterentwickelt und individualisiert. Insgesamt verlasse ich mich aber mehr auf das, was ich über die Kommunikation mit dem Klienten erfahre und im Gespräch zu seiner persönlichen Stärkung und Profilschärfung einsetze. Auch ein gutes lösungsfokussiertes Gespräch zwischen Coach und Klient ist eine Methode. Das sehen manche Kollegen anders, die sich über Abschlüsse und Zertifikate definieren.

 

Es gibt auch Klienten, die sich Persönlichkeitstests und Analysen wünschen. Das ist ehrlich gesagt nicht meine Methode der Wahl. Ich sehe die Gefahr, dass solche Auswertungen zu Schubladendenken führen und den Blick übrigens auf beiden Seiten einengen. Außerdem mache ich die Erfahrung, dass sich alle Erkenntnisse über Persönlichkeit und Stärken auch anders im Gespräch ermitteln lassen. Aber wie gesagt: das macht jeder Coach unterschiedlich und wer auf Tests und Analysen steht, der findet einen Coach, der anders arbeitet als ich.

 

5. Was hat Dir mehr gebracht – die Ausbildung zum Coach oder die Erfahrung?

 

Gute Frage! (Klar – dafür sind wir da ;-). Da muss ich selbst mal ein bisschen dran rumdenken. Die Ausbildung hat mir grundlegende Handlungsweisen nahe gebracht. Vor allem hat sie mich selbst aber in meinem Wunsch Coach zu werden sicherer gemacht und mich auch mir selbst näher gebracht. Die Ausbildung habe ich - auch wenn sich das vielleicht seltsam anhört – nicht gemacht, um coachen zu können, sondern um Coach sein zu können. Das eine ist die Methode, das andere die Haltung. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.

 

Heute würde ich sagen schöpfe ich sehr viel aus meinen Erfahrungen, auch wenn das keineswegs heißt, dass ich Schubladen für Fälle habe. Aber ich habe einfach unglaublich viele Menschen kennengelernt und gesehen, was sie in beruflichen Veränderungssituationen weitergebracht hat. Die Fragen, die sich fast alle in dieser Lage stellen, sind sehr ähnlich. Der Mensch, der in dieser Situation und seinem individuellen Lebensumfeld steckt, ist es nicht. Darin besteht der Unterschied. Natürlich weist mich meine Erfahrung auch heute nach außen als erfahrenen Coach aus. Mit meiner Erfahrung am Markt sichtbar und erfolgreich zu sein ist natürlich auch ein gutes Pfund für neue Aufträge.

 

6. Viele Coachs touren mit Vortragsprogrammen über Bühnen – machst Du mehr Einzelcoachings oder Vorträge?

 

Definitiv ersteres. Persönliche Einzelcoachings in Ruhe und in meiner Arbeitsumgebung liegen mir einfach viel mehr und machen mir auch mehr Freude. Sinn ist mir wichtig und ich habe das Gefühl, dass ich in der direkten Arbeit mit Menschen mehr Wirkung erzielen kann als von einer Bühne herab. Es geht mir um Substanz und Tiefe, ich bin kein Marktschreier oder Tschakka-Guru. Auch wenn ich ab und zu auf Karrieremessen Vorträge halte und bei TV-Auftritten und Interviews in der Öffentlichkeit stehe, ist dies nichts, was ich mir als Vortragsredner jeden Tag vorstellen kann. Und außerdem schlafe ich viel zu gerne zuhause im eigenen Bett.

 

7. Besteht nicht die Gefahr, dass die Digitalisierung Dich überholt und Du demnächst nur noch über VR-Brille coachst? Persönlich muss ja nicht lokal gebunden sein?

 

Da bereits ab dem telefonischen Vorgespräch klar ist, wie und wo ich arbeite, stellt es für viele Klienten aktuell keine Hürde da, auch aus anderen Teilen Deutschlands zum Coaching zu mir nach Köln zu kommen. Ich kann mir für mich nicht vorstellen, Coachings virtuell durchzuführen. Mir ist der direkte persönliche Kontakt mit meinen Klienten wichtig. Ich kann mehr wahrnehmen, andere Methoden einsetzen und bessere Impulse setzen. Ich habe zu Beginn auch einige Coachings über Skype durchgeführt und das Gefühl, dass ich Menschen im direkten Kontakt einfach besser erreiche. Außerdem halte ich auch die Fahrt zu mir ins Büro und den Ortswechsel schon wichtig als ersten Schritt und für den Coaching-Prozess. Das ist für Klienten – und auch für mich – etwas anderes als mal eben zwischendurch ein Coaching vom heimischen Esstisch oder Schreibtisch aus zu machen.

 

8. Du bist XING Spitzenwriter und Dein Blog gehört zu den meistgelesenen Karriereblogs in Deutschland – wie wird man das und warum bloggst Du?

 

Wie man das wird? Kontinuität, Spaß am Schreiben, ehrlich Wissen teilen. Ich schreibe bewusst unterschiedliche Artikel für unterschiedliche Kanäle – nicht nur inhaltlich sondern auch stilistisch. Das macht es interessant und würde mich selbst auch neugieriger machen. Das ist meine persönliche Contentstrategie (auch wenn sie natürlich nie von vorne bis jetzt exakt so geplant war). Es ist die Art der Sichtbarkeit, die zu mir passt. Eben weil ich nicht der „laute“ Typ bin. Der Blog ist inzwischen mit über 1 Mio. Besuchern in 2018 mein stärkster Akquisekanal. Dass meine Inhalte so gut ankommen freut mich natürlich sehr.

 

Ich bin im Blog und auf XING sehr offen - früher habe ich mich oft gefragt, ob ich zu viel Wissen preisgebe und schon alles geschrieben habe, was ich an Tipps und Erfahrung weiter zu geben habe. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Wer Begleitung sucht, sucht persönlichen Austausch, Bestärkung, ein offenes Ohr und eine andere Meinung. Und je sicherer er sich sein kann, dass er das Gewünschte bekommt, desto eher fragt er mich dann auch an. Also sind meine Blogartikel und meine Website nicht nur meine Visitenkarte, sondern auch ein Kanal, über den ich Inhalte und vor allem auch meine Persönlichkeit transportiere. Schließlich ist Sympathie für alle wichtig, die sich einen Coach aussuchen.

 

XING trägt dazu bei – wenn der Inhalt stimmt. Artikel, die gut ankommen, werden gepusht. Ohne Übertreibung sind also auch da die Leistung und der Output nur so gut wie ich bin. Und damit freut mich die Auszeichnung als „XING Spitzenwriter“ natürlich persönlich umso mehr. (Das hätte Bernd in seiner ruhigen, zurückhaltenden Art so deutlich nie gesagt, aber das Lob für so guten Content haben wir uns im Rahmen unserer journalistischen Freiheit erlaubt.)

 

9. Wie bildest Du Dich weiter?

 

Eben selten für Zertifikate. Ich suche mir Weiterbildungen und Formate aus, die mich echt interessieren und von denen ich glaube, dass sie mich persönlich weiterbringen und zu mir und meiner Arbeit passen. Dazu gehört natürlich auch der Austausch mit Kollegen – sei es, dass sie ganz andere Vorgehensweisen als ich selbst zum Einsatz bringen oder sei es, weil ich ihre Erfahrung sehr schätze. Dies trägt mehr zum persönlichen Erfahrungsschatz und damit zu meiner eigenen Weiterentwicklung bei und weniger zu irgendwelchen formalen Qualifikationsnachweisen.

 

10. Hast Du schon einmal ein Coaching abgebrochen?

 

Nein, ein Coaching habe ich noch nie abgebrochen. Wenn ich während eines Coachings merke, dass etwas nicht gut läuft oder irgendwas nicht stimmt, dann thematisiere ich das. Vielleicht ist mein Gegenüber im Kopf ganz woanders, vielleicht ist es auch meine Art oder die Inhalte, die sich jemand anders vorgestellt hat. Auch dafür ist Coaching da, die Dinge offen an- und auszusprechen, die mir auffallen. Das schafft Klarheit und hilft auch für das eigentliche Thema immer ungemein viel.

 

Manchmal entscheidet sich im Vorgespräch, dass ich Erwartungshaltungen oder Wünsche von Klienten nicht erfüllen kann. Hierfür nutze ich diese Gespräche und wenn sich herausstellt, dass ich der Falsche für ein bestimmtes Anliegen bin, dann ist es gut, dass wir vorher gesprochen haben.

 

11. Melden sich Deine Klienten im „Erfolgsfall“ und wie misst Du Deinen Coachingerfolg?

 

Längst nicht immer bekomme ich eine konkrete „Erfolgsmeldung“ und wenn, dann oft mit zeitlichem Verzug. Aber natürlich, es gibt sie. Und sie freuen mich! Ob ein Coaching gut war, kann ich meist am Ende einer Sitzung einschätzen. Wenn ich bestimmte Impulse setzen konnte oder mein Gegenüber wichtige Erkenntnisse für sich gewonnen hat. Eine individuelle Rückmeldung ist schön, keine Frage. Aber mein Coaching ist auch eine Dienstleistung. Längst nicht bei jeder Dienstleistung bekommt man neben einer Vergütung auch noch ein persönliches Feedback; das passt für mich. Daher verzichte ich auch auf Feedbackbögen oder ähnliches. Für mich selbst reflektiere ich die Sitzungen im Anschluss. Dem Klienten soll es freigestellt sein, ob er sich nach Abschluss eines Coachings-Prozesses noch einmal für ein Feedback bei mir meldet oder nicht. Denn Selbstverantwortung ist mir sehr wichtig.

 

12. Deine Promotion – hilft sie Dir weiter?

 

Jein. Sie hat sicherlich für mich als Selbständigen ihren Wert, ja. Denn ein „Doktor“ vorm Namen vermittelt Expertise und steht da draußen für Seriosität. Auf der anderen Seite glaube ich, dass der Titel manchen Interessenten auch abschreckt, gerade junge Berufstätige. Am Ende hoffe ich aber, dass meine lockeren und auch mal witzigen Texte im Blog oder meine Art etwa in den Videos der XING Talks zeigen, dass mir Leichtigkeit wichtig ist und niemand vor „dem Doktor“ Angst haben muss (lach).

 

13. Das böse Wort: Vertrieb/Akquise – wie bleibst Du sichtbar?

 

Wenn ich keinen Vertrieb machen würde (und dazu gehören natürlich meine Website und meine Aktivitäten als Blogger und Experte in der Presse), dann wäre ich kein erfolgreicher Coach in diesem unüberschaubaren Markt. Nicht, weil ich dann nicht gut coachen könnte, nein, ich hätte einfach keine Klienten. Das Maß an hoher Sichtbarkeit, das ich über unterschiedliche Content-Kanäle erreiche, ist die Basis meines Erfolgs. Alle anderen Vertriebskanäle, die ich zu Beginn ausprobiert habe (und ja, es war auch mal der Flyer beim Frisör), haben nicht ansatzweise zu Anfragen geführt. Wissen und Erfahrungen zu teilen ist für mich heute die absolut beste Art der Öffentlichkeitsarbeit und Akquise. Und das Schöne ist, dass mir das Schreiben viel Spaß macht und auch viele Presse-Interviews für mich persönlich als extrem bereichernd empfinde. Ich probiere gern Neues aus und bin immer gespannt, welche Reaktionen was hervorruft und wie stark etwas wirklich auf Akquise einzahlt.

 

Online-Inhalte erreichen den Menschen in dem Moment, in dem er meine Arbeit braucht, in dem er eine Problemstellung hat und eine konkrete Lösung sucht. Da ich vorab nie genau wissen kann, wer, wann und wo das ist, brauche ich genau diese stabile Sichtbarkeitsbasis, an der ich auch weiterhin fokussiert arbeite. Auch wenn leider – oder glücklicherweise – die Zeit fürs Schreiben mit zunehmender Sichtbarkeit und Anzahl der Coachings abnimmt. Aber auch das ist gerade eine Lernerfahrung für mich, dass mein Blog selbst mit einem Artikel pro Monat nicht verwaist und die Anfragen nicht abnehmen.

 

Auch wenn wir bei Bernd nicht wirklich auf der Couch saßen, sondern in gemütlichen grünen Sesseln, hatten wir jede Menge spannende Momente, keinen Gesprächsleitfaden, kein vorgeplantes Ziel und doch ein wunderbares Ergebnis. Ganz herzlichen Dank für 2,5 Stunden, die wie im Flug vergangen sind.

 

Und danke für eine unglaublich entspannte Zeit auf einer Ruheinsel mitten in Köln!