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Auf die Plätze fertig: Change!

#5 Gastbeitrag von Nicole Neubauer

 

Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt für Veränderung im eigenen Unternehmen? Diese Frage habe ich mir vor rund zwei Jahren sehr intensiv gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war ich verantwortlich für Business Development bei metaBeratung GmbH. 2003 hatte ich das Unternehmen, eine HR und Management Beratung, gemeinsam mit meinem Mann gegründet. Auslöser für meine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Wandel waren diese zwei Fragen:

  • War unser Geschäftsmodell weiter zukunftsfähig?
  • War die Art und Weise, wie wir im Team zusammenarbeiteten heutigen Anforderungen nach mehr Flexibilität, Austausch und Diversität noch state-of-the-art?

 

Unser Geschäftsmodell:

unser Team unterstützt Unternehmen bei der Personalauswahl und -entwicklung. Mit Persönlichkeitstestverfahren ermitteln wir die Passung zu einer Position oder unterstützen eine Person gezielt in der Entwicklung auf eine (neue) Position. Insbesondere in diesem Bereich ist die künstliche Intelligenz den ‚klassischen‘ Persönlichkeitstests schon seit längerem auf der Spur. Nur ein Beispiel: IBM Watson forscht an sogenannten web-scaping Methoden, damit soll Ableitung eines Persönlichkeitsprofils auf Basis von persönlichen Daten im Netz möglich werden – alternativ bietet IBM auch die E-Mail Analyse an: auf Basis eines E-Mail Textes wird das eigene Persönlichkeitsprofil abgeleitet. Oder auch das eines Kunden. Auch branchenfremde Unternehmen und coole Start-ups drängten ganz neu auf dem Assessment-Markt. Wer hätte gedacht, dass Redbull plötzlich Assessments anbietet? Mit www.wingfinder.com positioniert sich das Energy Drink Unternehmen plötzlich auch auf diesem Markt. Die Frage am Ende: wie valide sind diese neuen Assessments im Vergleich zu traditionellen, bewährten Assessments? Wohl eine Frage der Zeit, bis die Daten treffsicher ausgewertet werden können…

 

Die zweite Frage betraf unsere Zusammenarbeit im Team: als ‚klassische‘ Managementberater arbeiteten wir auch so: klassisch eben. In Einzelbüros, mit Zeitaufschreibung, hierarchisch geführt. Projekte wurden weniger in Teams als allein oder max. zu zweit zweit durchgeführt. Eigentlich war die Stimmung gut, lediglich an Engagement fehlte es – aus Chefsicht. Und ja: der Ruf der Berater nach mehr Flexibilität und Austausch wurde lauter. Damit veränderte sich auch der Anspruch an mich/uns als Führungskräfte: gewünscht war mehr Flexibilität, mehr Augenhöhe, Eigenständigkeit und Freiheitsgrade.

 

Wie also ‚anders‘ führen und gleichzeitig an potentiell neuen Geschäftsmodellen arbeiten? Und überhaupt: Führung ‚agil‘ – was bedeutete das überhaupt? Wir starteten zwei Projekte: Zum einen baten wir ein internes Projektteam, innerhalb des Teams und unserer Kunden zu analysieren, was verändert werden sollte/musste. Zum anderen führten wir gemeinsam mit der IMD Business School in Lausanne eine Studie mit 1.100 Führungskräften durch, um in Erfahrung zu bringen, welche Kompetenzen eigentlich agile Führung ausmachen.

 

Change ist kein Projekt – Change braucht Zeit!

 

Mit dem Team zogen wir in ein neues Büro: keine Einzelbüros, sondern offene Räume sowie kleinere Einzelbüros für Stillarbeit sowie ein Konferenzraum für gemeinsame Meetings und Telefonkonferenzen. Feste Schreibtische gibt es seither nicht mehr. Projekte werden individuell besetzt, unsere IT wurde komplett auf ein cloudbasiertes Arbeiten umgestellt. Jeder kann von überall auf Daten zugreifen. Home Office und ‚remote‘ Arbeiten ermöglicht es uns, flexibel zu sein. Neue Mitarbeiter wurden nicht mehr nur am Hauptstandort Düsseldorf eingestellt. Es war ein radikaler Schnitt, ganz klar, dennoch: alles passierte mit der Zustimmung des Teams. Konnten wir alle Mitarbeiter auf diesem Wege mitnehmen? – Nein, leider nicht. Nicht jeder ist mit der veränderten Arbeitsweise zurechtgekommen. Dabei haben wir unseren Change-Prozess mit vielen Team-Workshops begleitet und dachten eigentlich, gut vorbereitet zu sein. Unser wohl wichtigstes Learning war, dass Veränderung nun mal Veränderung auf allen Ebenen – auch individuell - bedeutet. Und viel Anpassungsfähigkeit und Resilienz erfordert. Von allen: Führung und Team gleichermassen. Vor allem aber braucht es Zeit, sich an die neue Art der Zusammenarbeit zu gewöhnen und sich nicht von Rückschlägen entmutigen zu lassen.

 

Unsere Studie zu agiler Führung – die parallel zu unserem eigenen Change lief - hat nicht zuletzt auch uns Orientierung gegeben und bestärkt, was von Führung heute erwartet wird. Allein die qualitativen Interviews mit Geschäftsführern, Chief Digital Officern ganz unterschiedlicher Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen zu führen war ein extrem spannender Prozess. Es war erstaunlich, wie stark der ‚Digitalisierungsgrad‘ der Unternehmen schwankte und wie stark oder wie wenig sich mit neuen Geschäftsmodellen auseinandergesetzt wurde. Insgesamt haben 1.100 Führungskräfte unseren Fragebogen beantwortet und haben uns gezeigt, auf welche Kompetenzen und Verhaltensweisen es heute in der Führung ankommt:

 

 

Kompetenzen:

 

1. H umility – Bescheidenheit: ich akzeptiere als Führungskraft, dass andere mehr wissen als ich und stütze mich hier auf Experten und mein Team. Entscheidungen muss ich nach wie vor treffen, bin mir aber meiner Expertise genau bewusst: wo sie beginnt und wo sie endet.

 

2. A daptability- Anpassungsfähigkeit: Entscheidungen, die gestern zählten, müssen nicht zwingend zwei Wochen später von Bedeutung für das Unternehmen sein. Es ist ok, als Führungskraft Entscheidungen rückgängig zu machen – ohne Gesichtsverlust, sollte sich die Situation verändert haben.

 

3. V isionary- Visionär: die Vision motiviert, erklärt das langfristige Ziel und das Warum für einen Wandel oder die angestrebte Veränderung. Ich behaupte mal, die Vision hat ein stärkeres Gewicht als die Strategie. Denn es ermöglicht Mitarbeitern und Team Wandel zu verstehen.

 

4. E ngagement- Engagement: die Führungskraft ist heute mehr Coach als Chef: sie befähigt und bringt das beste in einem Mitarbeiter hervor.

 

 

Die folgenden drei Verhaltensweisen konnten wir ebenfalls im Rahmen der Studie identifizieren:

 

1. Hyperbewusstsein: ich erkenne Trends rechts und links von mir, habe den Markt im Blick

 

2. Sachkundige Entscheidungsfindung: ich bewerte diese Trends auf Basis von Zahlen/Daten/Fakten und entscheide, ob diese für mich und mein Unternehmen Konsequenzen haben – positiv wie negativ

 

3. Schnelles Handeln: ich setze die Trends um, hier zählt Schnelligkeit vor Perfektion im Sinne von ‚fail, but fail fast‘.

 

Heute können wir diese Kompetenzen und Verhaltensweisen mit einem Persönlichkeits-Assessment individuell messen. So unterstützen wir Führungskräfte und Unternehmen konkret im Wandel. Das haben wir natürlich auch mit unserem Team durchgeführt.

 

„Veränderung ist ein Weg, auf dem man sich ständig neu erfinden muss.“

 

Fazit: Heute sind wir auf einem guten Weg. Die Art und Weise, wie wir zusammen arbeiten macht Spass, alle sind motiviert und kennen das grosse Ganze, was wir erreichen wollen. Menschen dabei zu helfen, ihre Berufung zu finden.

 

Meine key learnings:

  • Change ist keine ‚to do Liste’ oder ein Projekt von A-Z: Change braucht Zeit.
  • Es geht um Menschen: Kommunikation ist extrem wichtig. Tue Gutes und rede darüber!
  • Change kann frustrieren – Mitarbeiter und Vorgesetzte gleichwohl, das ist normal!
  • Es gibt kein Patentrezept – es muss immer individuell an das Unternehmen angepasst sein

 

Was für uns funktioniert hat und noch immer funktioniert?

  • Zuhören statt reden.
  • Zusammenarbeit sicherstellen. Wöchentliche Stand-Up Meetings, Brown-Bag Meetings zum Wissensaustausch, regelmässige Teamworkshops.
  • Informiert sein, Erfolge feiern, Feedback und Herausforderungen teilen. Transparent und in Echtzeit über Yammer.
  • Interaktive Workshop-Methoden, um alle Köpfe miteinzubeziehen, außerhalb der Box zu denken, den Kurs wo nötig zu korrigieren und sich ständig entlang der Vision weiter zu entwickeln.
  • Feedback-Kultur. Informell und mit formalen Prozessen.
  • Eigenverantwortung und Selbststeuerung fördern. Disruptive Ideen fördern, Entscheidungen delegieren.
  • Sich gegenseitig erinnern: Wo wir heute stehen, was wir tun und wie wir aufgestellt sind, ist eine Momentaufnahme.

 

Autorinnenprofil

 

Nicole Neubauer begleitet als DACH verantwortliche

Geschäftsführerin der meta Beratung mit branchenübergreifender 28jähriger Erfahrung ausgewählte Projekte und Großkunden.

 

Wissenschaftsorientiertes, technologisches Arbeiten

sowie die Entwicklung digitaler Geschäftsfelder

bilden den zentralen Mittelpunkt ihrer Arbeit.

 

@NicoleNeubauer9

@metaBeratung


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