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Oben wird die Luft dünner – und die WhatsApp Gruppen weniger

Was passiert eigentlich, wenn Nachwuchsführungskräfte aus den eigenen Reihen kommen? Der typische Prozess im HR sollte bestenfalls ungefähr so aussehen:

 

Ein „Nachwuchstalent“ wird so gut ausgebildet und gefördert, dass es zum späteren Zeitpunkt eine Abteilung alleine führen kann. Im besten Fall die, in der man bereits bis zum aktuellen Zeitpunkt eingesetzt wurde.

 

Gleichzeitig sollte es sich im Unternehmen vernetzen, bei den Kollegen Gehör verschaffen, die neue Position vertreten und am besten die „richtige“ Richtung eigeninitiativ einschlagen. Sprich Kompetenzen erlenen und deutlich zeigen, dass man führen und motivieren gleichermaßen gut kann.

 

So weit so gut…

 

Der Schritt an die Front

 

Die Veränderung, die ein Teammitglied für sich schafft, das aus den eigenen Reihen kommt und nun der neue „Chef“ ist, ist nicht zu unterschätzen. Und hierfür sprechen unsere Erfahrungen ebenso wie unzählige Fachartikel – trotz Trends zu neuem, agilem, selbstorganisierten Arbeiten. Denn die Frage „Warum er und nicht ich?“ wird fast immer sehr stark vertreten sein. Vielleicht wird sie nicht offen kommuniziert, aber jeder, der ansatzweise den gleichen Karriereweg einschlagen will und sich für „bereit“ hält, wird diese Frage stellen. Und damit den Grund für das eigene Nichterreichen des Ziels im neuen Leader suchen.

 

Und genau dann stellt sich heraus, dass der Sprung zum Abteilungs- oder Projektleiter nicht nur positive Effekte mit sich bringt. Das fängt im ganz Kleinen an. Im Zwischenmenschlichen: Wo man sich gestern noch mit den Kollegen über private Dinge ausgetauscht hat oder zusammen schnell eine Zigarette geraucht hat, ist heute das Wetter das Thema, welches angesprochen wird.

 

Neue und alte Netzwerke

 

Ab jetzt wird Netzwerken im eigenen Unternehmen zunehmend schwieriger und Menschen-einschätzung unglaublich wichtig. „Wem vertraue ich was zu welcher Zeit an“ - das ist einer der Schlüssel zum Erfolg. Es wird nicht immer nur nett und sachlich gesprochen und so entstehen auch in den offensten Unternehmen Grüppchen von Mitarbeitern, die bei einer Tasse Kaffee über den Vorgesetzten tratschen. Vermutlich gehört das in gewissen Maßen auch dazu, denn auch dies verbindet Mitarbeiter, sollte aber nicht aus dem Ruder laufen und ständig beachtet werden.

 

Aber genau hier ist der Knackpunkt: Nachwuchskräfte bekommen sehr viel mit und hören natürlich die Gespräche. Vermutlich standen sie vor dem Karrieresprung auch genau dabei und haben selbst getratscht. Wenn also dann genau diese interne Person (eben noch Freundin oder gleichgesinnte Kollegin) die neue direkte Vorgesetzte wird, ist die Angst der anderen Kollegen groß, da nun Wissen vorhanden ist, das vielleicht bei einem Mitarbeitergespräch zu negativen Gunsten verwendet werden kann. Des Weiteren sind die Arbeitsweisen der Kollegen geläufig, auch dies ist nicht für alle erfreulich.

 

Auf der anderen Seite erfährt man als Nachwuchsführungskraft in neuen Zirkeln Dinge, die viele der Infos, die man jahrelang ausgetauscht hat, falsch oder in einem neuen Licht erscheinen lassen. Mit zunehmender Verantwortung wächst also die Informationsdichte an. Diese neuen Netzwerke gilt es zu sortieren.

 

Was passiert also wenn genau dies alles eintrifft?

 

Aus Erfahrung können wir sagen, dass man nicht jedes Teammitglied wieder einfangen oder halten kann, es werden bestimmte Personen das Unternehmen verlassen oder wenn möglich die Abteilung wechseln. Selbst wenn sich gemeinschaftlich für die neue Führungskraft entschieden wurde!

 

Die Gesprächsgruppen ändern sich. Jeder freut sich immer noch über ein gemeinsames Mittagessen, welches ab und an stattfinden sollte und die Nähe zum Team ausdrücken soll. Dann aber ist das Team auch wieder froh, wenn der anschließende Kaffee mit den „richtigen“ Kollegen alleine getrunken werden kann und Gespräche plötzlich an Fahrt zunehmen, Themen wieder natürlicher werden. Augenhöhe ist nicht gleich Augenhöhe.

 

Was auch sehr schnell gewechselt wird sind die WhatsApp Gruppen, in denen vorher ein reger Austausch über interne und private News stattfand. Plötzlich findet sich nun nur noch eine einzige Person in der alten Gruppe…nämlich sie – die neue Führungskraft. Spannend ist auch immer wieder zu sehen, dass die Freundschaftsanzahl in den Social Media Kanälen weniger wird. Begründung ist hier relativ einfach und irgendwie auch sehr lustig: „der Kanal ist out, ich mache da nichts mehr…“.

 

So wie sich im Privatleben Beziehungen ändern, Wege auseinandergehen, neue Menschen zu Netzwerken hinzukommen, so ist das auch bei einem solchen internen Personal- und Führungswechsel – und das in unglaublichem Zeitraffer!

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