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Leadership zwischen Anweisung, Delegation und Vertrauen

„Management by Delegation“ – das war einer der Führungsstile, die man mal gehört oder gelernt hat. Theoretisch. HR gab es da gefühlt noch nicht – eher „den Bereich Personal“, der verwaltend für die Belegschaft zuständig war und in dem Personalentwicklung, Mitarbeitermotivation und Work Life Balance noch keine Hypethemen waren.

 

Per „Delegation“ überträgt jemand eine Verantwortung oder Befugnis auf eine andere Person – wie passt das zu agiler Führung? Wo liegen die gravierenden Unterschiede, wenn wir heute Aufgaben eigenverantwortlich in Teams erledigen (lassen) und es die klassische Anweisung nicht mehr geben darf? Wie können wir auf Selbstorganisation vertrauen?

 

Wir müssen, weil sich zwei entscheidende Faktoren geändert haben:

 

1. Die Delegationsrichtung

 

Delegiert wird in hierarchischen Strukturen von oben nach unten. Die Chefin hat viel zu tun, also gibt sie etwas ans Team ab. Im besten Fall verpackt als motivierendes, selbst zu erledigendes und zu verantwortendes Projekt. Ihr selbst bleibt damit Zeit für „Führungsaufgaben“ und strategische Projekte.

 

Genau daran scheitert Management by Delegation in dieser eindimensionalen Form: Es fehlt jegliche Erläuterung der Gesamtziele. Je mehr Aufgaben an die Teams und Mitarbeiter durchgereicht werden, desto mehr wird das Unternehmensziel zerstückelt. Dies muss dazu führen, dass die delegierten Aufgaben wie ein Boomerang zurückkommen, wenn Probleme auftauchen. Weil sie eben nur übertragen werden. Die wenig versteckte Botschaft, dass auf Führungsebene wichtigere Dinge erledigt werden müssen, kann kaum zu Motivation für die Aufgabe noch für das eigene Handeln führen. Eine Arbeitsanweisung lässt sich nicht als Motivationsprojekt verkaufen – zumindest funktioniert das nicht als dauerhaftes Prinzip.

 

Diese vorgegebene Richtung gibt es in Teams, die sich selbst zusammenfinden, nicht. In Start Ups, aber auch Unternehmen mit flachen Hierarchien, ist die Frage, wer welche Rolle einnimmt, nicht vordefiniert, sondern ergibt sich aus den individuellen Fähigkeiten. Damit wird jedes Teammitglied in seiner Funktion akzeptiert.

Für jedes neue Projekt kann das wieder andere Konstellationen bedeuten und genauso werden auch Aufgaben in alle Richtungen delegiert. Über Kommunikation, Beratung, Erkundigung und individuelle Vereinbarung werden die Karten immer wieder neu gemischt. Akzeptanz für eine einzelne Aufgabe entsteht durch Identifikation mit dem Gesamtprojekt, für das man Auslöser ebenso wie Ausführender sein kann. Allein die verschiedene Richtungen der Kommunikationsprozesse und die damit verbundene steigende Komplexität deuten auf mehr Bewegung und Agilität hin.

 

2. Der Delegationszweck

 

Der Zweck des "Managements by Delegation" ist leider oft in erster Linie ressourcenorientiert – wenn die eine Ebene zu viel Arbeit hat muss eine andere (niedrigere) einspringen. Sicher kann der Motivationsaspekt bei guter Implementierung nicht grundsätzlich verleugnet werden, intrinsische Motivation kann aber kaum per klassischer Delegation erreicht werden.

 

In agilen Teams kann dies allein nicht funktionieren. Projekte werden übernommen, wenn man in der Bearbeitung einen Sinn sieht, dafür qualifiziert ist oder – best case – das Problem und die Aufgabe selbst erkennt. Delegation erfolgt wissens- und aufgabenorientiert. Jedes Teammitglied kann ein Projekt initiieren, sich eine Arbeitsgruppe zusammenstellen, Aufgaben kommunizieren und den Prozess leiten.

 

Vollständig durchdacht ist Management by Delegation also durchaus New Work-tauglich. Wie fast jedes bekannte Führungskonzept. Daraus nährt sich New Work. Die Kombination aus der Erfahrung der „alten Leader“ kombiniert mit dem Wissen der Generation Z und Y schafft neue Arbeitsformen, mit denen wir den Herausforderungen der Digitalisierung gut begegnen können und „Digital Leadership“ gestalten können.

 

Zwischen den Extrempunkten der Chefin/des Abteilungsleiters und der absoluten Selbstorganisation müssen wir genauso wie zwischen der Anweisung und der totalen Delegation mit und für unsere Teams neue Organisationsstrukturen schaffen.

 

Dies passiert in bestehenden Strukturen selten plötzlich aus dem Team selbst heraus – dazu muss es einen Initiator geben, der Innovation anstößt, zum Nachdenken anregt und neue Modelle vorschlägt. Von außen oder innen. Erst wenn diese Basis gelegt ist, kann im Folgenden geübt werden, wie Delegation neu funktioniert.

 

Erste Projekte werden übertragen und der Umgang mit der Konsequenz wird trainiert – damit die Suche nach dem einen Verantwortlichen nicht genau dann wieder startet, wenn Probleme auftauchen, Deadlines kritisch werden oder Finanzlinie gesprengt werden. Organisiert man ein Team derart, kann es sich selbst innerhalb einer hierarchisch geführten Unternehmensstruktur zu einem eigenen Modell entwickeln.

 

Startpunkt unserer neuen Organisationsstruktur war, Erfahrung, Wissen und Innovation auch durch eine neue Führungsform der „Doppelspitze“ in Gender Diversity auszudrücken. Denn wenn sich Delegationsrichtung und -zweck ändern, müssen Beobachtung, Feedback und Vertrauen die Balance wieder herstellen. Es macht Spaß New Work so zu entwickeln. Aber es ist auch ein hartes Stück Arbeit und ein Prozess, der jeden Tag neu mit Leben gefüllt werden muss. Denn auch wenn wir Rollen scheinbar „spielerisch“ und zufällig immer wieder neu zuordnen (lassen), bleibt der Erfolgsmaßstab aus Gesamtunternehmenssicht der gleiche. Projekte müssen gelingen und Kunden zufrieden sein. Wenn wir Netzwerken und Lernen in unseren Teams fördern und unserem Team durch konsequente Delegation, Kommunikation und Coaching Projekte zutrauen, sind wir sicher, dass wir gemeinsam diese Ziele erreichen und vor allem nicht an den Rahmenbedingungen einer starren Organisation scheitern.

 

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